So facettenreich ist Horror made in Austria

Die Geschichte des Horrorfilms ist fast so alt wie jene des Mediums Film an sich. Elemente des Grusels lassen sich bereits in frühen Filmwerken der 1890er Jahre antreffen. Die in Deutschland produzierten Meilensteine des Genres, wie Robert Wienes DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920) oder Friedrich Wilhelm Murnaus NOSFERATU EINE SYMPHNIE DES GRAUENS (1922), bescherten dem Horrorfilm in den 1920-er Jahren seine erste Blütezeit. In den 30er Jahren versetzten die effektvollen Möglichkeiten des Tonfilms dem Genre einen zusätzlichen Boost und ließen es Hand in Hand mit der Goldenen Ära Hollywoods gehen.

Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte erlebte das Horrorkino ein Auf- und Ab und wurde dabei von innovativen Filmemacher*innen beständig durch neue Facetten angereichert. Seinen zentralen Stellenwert als filmisches Spielfeld für Angstlust und Nervenkitzel hat sich das Genre bis heute bewahrt.

Obwohl Robert Wiene in den 1920ern mit Orlac’s Hände (1924) einen bedeutenden expressionistischen Horrorfilm bei der Produktionsgesellschaft Listo-Film in Wien schuf, hatte das Filmland Österreich über weite Strecken der Filmgeschichte recht wenig zum internationalen Horrorfilmschaffen beizutragen. Eine bestimmte, international prägende Strömung innerhalb des Horrorgenres gab es in Österreich nie, sehr wohl aber herausragende Einzelwerke. Insbesondere ab den 1990-er Jahren entstanden vielbeachtete Filme, wie Michael Hanekes FUNNY GAMES (1997). Die verstörende Gewalteskalation, mit der eine Kleinfamilie durch das Eindringen zweier Fremder konfrontiert ist, polarisiert bis heute und lenkte durch die weltweite Rezeption viel Aufmerksamkeit auf das gesamte Filmschaffen hierzulande. Ebenso bemerkenswert: Jessica Hausners atmosphärisch dichter Film HOTEL (2004), der im offiziellen Programm der Internationalen Filmfestspiele von Cannes gezeigt wurde. Überaus sehenswert und höchst erfolgreich war auch Andreas Prochaskas IN 3 TAGEN BIST DU TOT (2006), in dem sich eine vermeintliche Scherz-SMS schnell als grausame Realität erweist.

In den vergangenen Jahren haben sich besonders Veronika Franz und Severin Fiala als meisterhaftes Regieduo für filmischen Grusel hervorgetan. Bereits ihr Spielfilmdebüt ICH SEH ICH SEH (2014) hat international für Furore gesorgt – ein alptraumhaftes Horrorfilmrätsel um zwei Zwillingsbuben, deren Mutter nach einer Gesichtsoperation wie ausgewechselt scheint. Während Identität an sich infrage gestellt wird, bleibt die eigentliche Handlung lange Zeit im Ungewissen. 2019 folgte der in den USA und Großbritannien – u.a. von den legendären Hammer Films – produzierte Streifen THE LODGE. Das jüngste Werk des Duos, der ÖFI geförderte Film DES TEUFELS BAD, steht bereits in den Startlöchern (ab 8.3.2024 im Kino) und verspricht wieder reichlich Spannung und Unbehagen. Der Plot ist in Oberösterreich im 18. Jahrhundert angesiedelt und behandelt, ausgehend von der Hinrichtung einer Frau nach ihrem grausamen Mord an einem Kind, ein bisher unbeleuchtetes Kapitel europäischer Geschichte.

Ein Geheimtipp für alle, die schon heute Abend ihre nächste unheimliche Filmbegegnung machen möchten, ist der auf DVD sowie VoD verfügbare Film LUZIFER vom Wiener Filmemacher Peter Brunner. Der 2022 erschienene Film schöpft sein schauderhaftes Potential aus religiösem Fanatismus, ödipaler Lust, familiärem Missbrauch und dem zeitlosen Konflikt zwischen Natur und Kultur. Eine Frau und ihr erwachsener, geistig zurückgebliebener Sohn führen ein von religiösen Ritualen geprägtes Leben fernab von jeder Zivilisation in den Bergen, bis mit dem Eindringen des Tourismus plötzlich der Teufel Einzug hält.

In ländlicher Abgeschiedenheit spielt auch HEIMSUCHUNG (2023), das Spielfilmdebüt des österreichischen Regisseurs Achmed Abdel-Salam. Ausgelöst durch die Rückkehr in ihr Heimatdorf, wird eine alkoholkranke Mutter von den Dämonen ihrer traumatischen Kindheit eingeholt, woraus sich eindrücklicher Psycho-Horror für die achtjährige Tochter entspinnt. Eine feinfühlige Auseinandersetzung mit einer höchst problematischen Mutter-Kind-Beziehung, gespickt mit Grusel und Geistererscheinungen – ab Mitte Oktober auf DVD und VoD.